Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR
Meine Eltern besaßen ein Ferienhaus, es stand mutterseelenallein auf einem Wiesenhang am Waldrand. Diese Immobilie war der Grund, dass wir fast nie in die Ferien fuhren. Wir hatten ja das Ferienhaus.
Wenn wir dort waren, wurde gearbeitet. Mein Vater ging mit gutem Vorbild voran. Er rodete, jätete, fällte Bäume, hackte Holz, mauerte, zimmerte, lackierte. Ich durfte zunächst noch Baumhäuser bauen, Löcher graben, Bach stauen, Feuerchen machen, bevor ich bei den Arbeitseinsätzen vollwertig mitwirken konnte. In der schönsten Pubertät ging es mir mächtig auf den Keks, das Ferienhaus.
Aber mein Vater wollte die Perfektion, er hatte der Natur den Kampf angesagt, besorgte sich die schärfsten Unkrautvernichtungsmittel und die erfolgreichsten Kraftdünger der chemischen Industrie. Diese Kombi bekam dem Gartengrundstück schlecht. Es sah aus, als hätten die Amis Agent Orange getestet. Und es war eine Offensive gegen Windmühlen, mitten in der Pampa einen Stadtgarten anzulegen, wenn die Unkräuter ringsum nur darauf warteten, bis sie sich nach unserer Abreise wieder ungeniert ausbreiten konnten. Andererseits brauchte man auf die Umgebung keine Rücksicht nehmen. Alles was in Küche, Keller und Badezimmer übrig blieb, wurde einfach über den Zaun geworfen, wo dann Müll, Asche und Gartenabfälle im Gestrüpp verschwanden. Das waren die fünfziger Jahre.
Zwanzig Jahre später übernahmen meine Frau und ich das Haus. Alternativ. Wir wollten es mit der Natur versöhnen, pflanzten Bäume, mähten das hohe Gras mit der Sense, freuten uns an vergrauten Fensterläden und dem Efeu, das bis aufs Dach wucherte. Wir trennten die Wertstoffe von den Abfällen und entsorgten den Restmüll auf Autobahnraststätten. Es war ein wunderbarer Gegensatz zu unserem Berliner Stadtleben.
Später durfte ich mit unseren Kindern Baumhäuser bauen, Löcher graben, Bach stauen, Feuerchen machen. Bis ihnen in der schönsten Pubertät das Ferienhaus mächtig auf den Keks ging. Da haben wir es verkauft. Jetzt haben wir einen Enkel und würden mit ihm gerne Baumhäuser bauen, Löcher graben…
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Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.
Ein Kommentar
Jaja, mein Lieber. Ich habe Dir ja immer gesagt, dass es ein Fehler war, die Hütte zu veräußern.