Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR
Zum Urlaub gehört es auch, gewohnte Rollen zu verlassen, etwas auszuprobieren, anders zu machen. Auch in der Familie. Ein Beispiel für dieses therapeutische Bäumchen-wechsle-dich-Spiel ist es, mit anzupacken und der Gattin oder Mutter bei der Hausarbeit zu helfen. Auf diese Idee kam mein Vater gönnerhaft und regelmäßig.
Dies mochte etwas heißen, denn man kannte ihn vor allem als Chef des Hauses, der alles wusste, bestimmte, erledigte. Wenn er sich abends in seinem Fernsehsessel in die Ruheposition kippte, saß meine Mutter auf der Stuhlkante, um ihn stillschweigend mit allem zu versorgen – Zeitung, Bier, Schokolade –, bevor er seine Wünsche äußern musste.
Nun hatte er sich eine Küchenschürze umgebunden, sie hing wie ein Lätzchen vor seinem passablen Bauch, und wahrscheinlich betrachtete er dieses Habit als sichtbares Zeichen seiner freiwilligen Erniedrigung. Vater hatte Humor, durchaus. Wenn er sich dann in der Küche dem Abwasch widmete, huschte meine Mutter umsichtig neben ihm herum, um ihn rechtzeitig mit benutztem Geschirr zu versorgen und gespültes wegzuräumen. Es hatte den Anschein, als müsse sie sich dabei einer Hauswirtschaftsprüfung unterziehen. Denn natürlich nahm mein Vater den Abwasch generalstabsmäßig in Angriff, er demonstrierte, wie man das lächerliche bisschen Arbeit sinnvoll erledigte, obwohl das, wie er uns spüren ließ, ü-b-e-r-h-a-u-p-t nicht seine Aufgabe war. Er verbrauchte Wasser, als würde er sein Auto waschen, imprägnierte mit dem fettigen Lappen auch gleich Tische und Bänke, wischte dann über die Pfannen, Gläser, Tassen und schäumte herrlich mit Spülmittel, während er beiläufig meine Mutter mit knappen logistischen Anweisungen instruierte.
Schließlich war alles gespült, Vater verließ als Kapitän die schwimmende Kombüse, auf See ungeschlagen. Meine Mutter befreite ihn von der peinlichen Schürze, musterte ihn und sagte: Ach, deine Hose geben wir nach dem Urlaub gleich in die Reinigung.
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Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.
Ein Kommentar
Einfach herrlich, diese Schilderung. Wieviele Menschen mögen das nachvollziehen können? Sehr schön.