Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR
Spannend ist immer der Vergleich zwischen dem ersten und letzten Urlaubstag. Wenn man nach ein- oder sogar zweitägiger Autofahrt erschöpft sein Ziel erreicht hat, stellt man sich jedes Mal die Grundsatzfrage, ob man sich das habe antun müssen. Verstärkend kommt hinzu, dass vielleicht der Vermieter nicht da ist, das heiße Wasser in der Wohnung nicht funktioniert und die Ausstattung der Urlaubsküche wie eine Zumutung erscheint. „Hier koche wer will“, stellt dann meine Frau kategorisch fest, „ich nicht! Wir sind doch keine Studenten.“ Was auch immer diese Bemerkung bedeuten soll, denn prinzipiell hat sie gar nichts gegen den akademischen Nachwuchs und seine Ernährung.
In solchen Fällen beschließt man, sich bei einem gemeinsamen Abendessen erst mal zu akklimatisieren. Nun könnte es sein, dass gerade zufällig ein Dauernieselregen eingesetzt hat, dass man sich außerdem in so einem ausnehmend hübschen Ort wie Westerland aufhält und am späten Abend auch kein offenes Lokal mehr findet. Schließlich wird man von einer bayrischen Bierkneipe aufgenommen, der Wirt bietet entgegenkommend noch einen warmen Leberkäs an. Wenn ich dann sage: „Ich wollte nicht an die Nordsee!“ hilft das der Stimmung überhaupt nicht weiter. In solchen Fällen bleiben wir meistens sitzen und trinken sehr viel Bier. Die Einrichtung des Lokals, die Fußgängerzone, die Geschäfte mit den Reiseandenken und vor allem die Holländer, die mit bunten Öljacken und Schirmen draußen entlang spazieren, werden ausführlich für ihren schlechten Geschmack gegeißelt. Dann trinken wir noch mehr Bier finden schließlich in unsere Ferienwohnung zurück. Das heiße Wasser läuft jetzt, der Vermieter hat einen Waschkorb, randvoll mit Geschirr, in der Küche abgestellt. Na, geht doch. Wir legen uns rücklings auf den Teppichboden und betrachten die riesigen Tapetenblumen, bis sie zu rotieren beginnen. „So fängt Urlaub immer an“, sage ich.
Wenn wir uns später von diesen ersten Abenden erzählen, kommen sie uns wie unvergleichliche Höhepunkte in Erinnerung. Vielleicht, weil der ganze Urlaub noch vor einem lag.
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Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.
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