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Reisefieber #23: Fußläufig

Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR

Zu den eindeutigen Urlaubsrequisiten zählte früher die deutsche Herrensandale. Als Männer noch obligatorisch mit Anzug ins Büro gingen und selbst Schullehrer zu ihrem speckigen Sakko Hosen mit Bügelfalten trugen, wären Sandalen undenkbar gewesen. Sie galten als bequeme Fußbekleidung für den Feierabend, das Wochenende – und natürlich den Urlaub. Sie waren das Cabrio des kleinen Mannes. Im Gegensatz zu den italienischen Modellen aus bretthartem knarrendem Leder, mit denen man barfüßig noch den Macho geben konnte, war die deutsche Herrensandale mit ihrer geschäumten Fußbett-Topografie, den gepolsterten Schlaufen und der elastischen Porokreppsohle so sexy wie ein Strickhemd mit Hosenträgern. Korrekt trug man dazu helle Socken aus einem Baumwollmischgewebe, vorzugsweise mit Rautenmuster. Für uns Kinder war es wichtig, dass die Sandale möglichst wenige Riemchen hatte, vor allem keine Kappe oder eine geschlossene Ferse. Die sahen nämlich aus wie von der Krankenkasse. Doch solche Schuhe wollten die Eltern nicht haben. Vielleicht steckte während des Kalten Krieges die Angst dahinter, diese leichtsinnigen Sandalen würden die vielleicht notwendige Flucht vor den Russen erschweren. Wie hieß es doch: Zäh wie Leder…
Später als Studenten kauften wir uns an römische Vorbilder angelehnte stiefelhohe Wildlederfutterale. Diese geschlechtsneutrale Woodstock-Sandalette eignete sich aber eher für das Kiffen auf der Matratze als zum Marsch durch die Institutionen. Schon ein Open-Air-Konzert auf Bauer Bartls nasser Wiese überlebten die Riemchengaloschen nicht. Mit einer deutschen Herrensandale aus poromerischem Kunstleder hätte man keine Probleme gehabt.
Nach der Wende zeigte sich übrigens, dass die Brüder (und Schwestern) sandalenmäßig zu uns gehalten hatten. Abgesehen von einigen Modellen aus minderen Plasten und Elasten war die Herrensandale aus volkseigener Produktion baugleich, so dass in dieser Hinsicht von einer Trennung keine Rede sein kann. Es wäre sogar angebracht, von einer gesamtdeutschen Herrensandale zu sprechen.
Heute, wo alle Welt von einer nachhaltigen Produktion spricht, zeigt sich ihr unerreicht langer Lebenszyklus. Nachdem man irgendwann den Fersengurt heruntertrat und mit seiner alten Sandale nur noch zum Briefkasten oder zum Bierholen in den Keller geschläppelt ist, hat man später den unnützen Verschlussriemen mit einem herzhaften Schnitt abgetrennt. So lebt sie noch lange Jahre als Pantoffel weiter, die deutsche Herrensandale.

Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.

Kommentare

Ein Kommentar

Vielleicht wäre noch die Erweiterung auf die Extrempole Gesundheitssandale (fängt mit B an und hört mit stock auf) und Jesuslatschen erkenntnisreich. Auch die bei Hipstern beiderlei Geschlechts beliebten Flip-Flops dürfen nicht unter den Tisch fallen, obwohl sie dort am Besten aufgehoben sind.

Thomas M. Krueger sagt:

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