Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR

Arbeitgeber haben immer darauf geachtet, dass ihre Angestellten bei Dienstreisen mit der Wahl ihrer Hotels keine unrentierlichen Kosten verursachen. So war es vor einigen Jahren nichts Außergewöhnliches, wenn man in seiner Herberge ein Zimmer mit Etagenbad und Podestklo erwischte. Das hat sich allmählich geändert. Bei Altbauten gelangen die nachträglichen Sanitäraufrüstungen nicht immer mit der gebührenden Sensibilität, da wurden Zimmerachsen verlegt und Stuckprofile asymmetrisch halbiert für die hinter dem Eingang eingebaute dunkle Nasszelle, deren schmale Tür mit Nachttisch und Kofferablage haderte. Aber der Prospekt hatte nicht zu viel versprochen, es gab tatsächlich ein eigenes Bad. Künftig sollte es zum Standard schon in der einfachen Hotellerie werden. Der Zeitgeschmack lässt sich bis heute minutiös verfolgen. Beige Fliesen mit Ornamenten und olivgrüne Keramikobjekte laufen bereits Gefahr, unter Denkmalschutz gestellt zu werden. Wenn es doch nur so wäre!
Stattdessen erreicht uns eine neue kulturelle Botschaft. Als hätte die Linke den Marsch durch die Institutionen in die Hotelbäder verlegt, werden dort wie bei der Kommune 1 die Klotüren ausgehängt. Man wäscht sich wieder im Zimmer! Als sollte die mitreisende Begleitung kontrollieren, ob man beim Zähneputzen mogelt und den Deoroller vorschriftsmäßig handhabt, wird ein Salatschüssel-artiges Waschbecken neben dem Schreibtisch platziert – ein erstes Indiz für avantgardistisches Hotelinterieur. Wenn man Pech hat kriegt man auch noch eine gläserne Dusche in Zimmermitte oder eine freistehende Badewanne. Dies wird dann im Hausprospekt wie eine sinnliche Zugabe annonciert, als sei die Übernachtung ein Aphrodisiakum für ältere Ehepaare. Was allein reisende Vertreter mit dieser spätrömischen Dekadenz-Bemusterung anfangen sollen, bleibt offen. Am Ende stecken wieder die Arbeitgeber dahinter, die ihren Angestellten – auch firmenübergreifend – die Buchung von preisgünstigeren Doppelzimmern schmackhaft machen wollen. Nur das Klo bleibt von dieser Neuerung verschont. Es befindet sich in einem wandschrankgroßen Kabinett ohne Handwaschbecken. Ein Abstrich von der Türklinke würde zur sofortigen Schließung des Etablissements führen.

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Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.