Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR
Es ekelt einen etwas, wenn man in Bussen und Bahnen jemandem zusehen muss, wie er schmierige Sojanudeln aus einem Pappbecher stochert. Oder sich schluckweise mit seiner Bierflasche präsentiert.
Aber Meuchelgedanken kommen auf, wenn man einen Platz im Ruheabteil der Deutschen Bahn gebucht hat und dennoch rücksichtslos von den Handygesprächen seiner Mitreisenden beschallt wird. Kinder können nerven, Skatrunden stören, heimreisende Bundeswehrangehörige lästig werden. Aber eine Geißel sind diese Geschäftsreisenden, die die hageldichten Erfolge ihrer unentbehrlichen Tätigkeit mitteilen müssen. Denn: Es sind ausnahmslos Könner unterwegs. Nie hört man, dass einem etwas misslungen ist, er sich geirrt, etwas versaut hat. Bisweilen möchte man glauben, es handelt sich um Textbausteine, so vertraut sind einem Sätze wie: „Wenn Splittgeber wieder mauert, werde ich massiv!“ Oder: „Das haben die Vollpfosten der Holding in Gummersbach zu verantworten.“ Typisch ist die Wiedergabe von Gesprächen in Echtzeit: „Ich sag’ noch…, darauf die Wanninger von der FiBu…, da hab’ ich ihr aber…“ Natürlich hat der Erzähler die Partie für sich entschieden. Manche sind jovial, duzen ihre Gesprächspartner und lassen sich durch alle Büroetagen verbinden: „Marc, gib’ mir mal den Kevin und dann die Ute.“ Sie lassen sich zurückrufen, leiten Konferenzen ein, fluchen über unterbrochene Verbindungen.
Beim ersten Telefonat ist man noch geduldig, beim zweiten überlegt man, wie man es dem lauten Wichtigtuer mitteilen soll, dass man nicht zufällig das Ruheabteil genommen hat. Wenn man zu lange zögert oder eine Mehrheit quakender Handelsvertreter um sich entdeckt, schafft man keinen höflichen Satz mehr. Man denkt an Gewalt, an Sabotage, wünscht ihnen Schleudersitze oder wenigstens Stromschläge aus den verdammten Handys. Sitzt man wirklich im Ruhebereich? Haben die Kerle das nur nicht bemerkt? Geht es um Menschenleben oder den Weltfrieden, dass sie sich so ungeniert darüber hinwegsetzen? Vielleicht gibt es eine Freistellung mit den Bonus-Punkten?
Wir halten es aus. Diese Prüfung geht vorüber. Wir fahren gerade in Urlaub. Und werden drei Wochen lang diese Arschlöcher nicht mehr treffen!
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Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.
Ein Kommentar
Der schönste Satz eines den ganzen Wagen unterhaltenden Business-Man, den ich bisher gehört habe, lautete: Michael, jetzt pass mal auf, das was ich dir gesagt habe, wissen bis jetzt nur genau 4 Leute!