Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR

Ein Hotel in Oberhausen, letztes Ferienwochenende. Das Haus ist ausgebucht, der Frühstücksraum bleibt über Stunden bis auf den letzten Tisch besetzt. Die Pulks der Vertreter, die am Vortag ihre Arbeit mit unaufschieblichen Handygesprächen begonnen haben, sind verschwunden.

Heute frühstücken hier junge Familien und miteinander reisende Frauen. Viele sprechen holländisch. Die Stimmung ist aufgeräumt, fröhlich könnte man sagen. Die ausgelegten Tageszeitungen bleiben unbeachtet, man beschäftigt sich mit sich selbst. Für die Kinder hat das Hotel das Frühstücksbüffet um einen niedrigen Tresen verlängert. Darauf wird allerlei Süßes und Buntes angeboten, genau das, was die Eltern zuhause rationieren oder unter Verschluss halten. Den Kindern gefällt es. Sie stellen sich brav an wie die Erwachsenen und häufen sich Smacks und Pops, Smarties und Lollys auf die Teller. Mütter verhandeln, möchten wenigstens eine Nutella-Semmel zur Grundversorgung durchsetzen. Eine besondere Attraktion sind die Honigpumpen. Man kann damit kleine Teigförmchen füllen, wenn man das untergestellte Gebäck richtig trifft. Da der klebrige Aufstrich mit Verzögerung aus den Apparaten quillt, lässt sich mit der Dosierung ein spannendes Spiel entwickeln. Bis ein Vater eingreift: Nein, Kevin, so viel Honig können wir nicht essen.

Inzwischen hat Julia die Safttheke entdeckt. Vier Geschmacksrichtungen werden angeboten. Julia nimmt rot. Sie hat ein Glas untergestellt und drückt auf den Zapfhebel. Der Saft plätschert geräuschvoll. Es hört sich an, als würde jemand in ein Urinal pinkeln. Julia gefällt das. Gerade als die Flüssigkeit den Rand erreicht, ist ihre Mutter zur Stelle. Sie kniet sich auf den Boden und schlürft den Saft vorsichtig ab. Julia geht zum nächsten Automaten. Nicht! ruft ihre Mutter und schiebt Julia zurück zu ihrem Tisch.

Frauen sind in der Überzahl. Sie haben sich chic gemacht, einige tragen sehr kurze Miniröcke und Stiefel. Ihre zehn- oder zwölfjährigen Töchter schütteln die frisch geföhnten Haare und lassen die Träger ihre winzigen Büstenhalterchen blitzen. Was haben die nur alle vor? Gehen sie in ein Konzert zu Justin Bieber?

Wir fragen an der Rezeption, wem dieser Familienauflauf geschuldet ist. Die kommen zum Shoppen, erfahren wir, die gehen alle ins CentrO, dafür gibt es bei uns in den Ferien günstige Arrangements.

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Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.