Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR
Wenn man nicht selbst über eine luxuriöse Reiselimousine verfügt, ist die Benutzung eines Mietwagens eine Belohnung. Wer oft damit unterwegs ist, kennt sich aus. Zwar achten Arbeitgeber peinlich darauf, dass man das Budget nicht mit fünf Euro zu viel strapaziert, aber die Damen bei den Verleihern wissen doch längst: Der kommt wieder, wenn wir ihm einen BMW statt einen Mitsubishi geben. Ein Upgrade gehört zum Marketing.
Das kann einen aber auch in Verlegenheit bringen, wenn das Luxusgefährt Lichtjahre vom Standard des eigenen Autos entfernt ist: eine Automatik-Limousine mit sieben Gängen, Multifunktionslenkrad und einem Regler für das Infotainment auf der Armlehne – komplizierter waren Flugzeuge früher auch nicht. In Bewegung setzt man das Fahrzeug noch mit seinem Basiswissen, nur Helene Fischer aus der rätselhaften Audioanlage stört. Nach fünfzig Metern zeigt ein Symbol, dass die Fahrertür nicht richtig verriegelt ist. Als man sie öffnet, schaltet sich das Auto vollständig aus und lässt sich erst wieder in Bewegung setzen, nachdem Tür, Bremse, Zündung und Fahrwahlhebel in der richtigen Reihenfolge betätigt wurden. Der Hintermann unterstützt den Neustart mit energischem Hupen.
Am Armaturenbrett leuchten jetzt Dioden in allen Farben. Es wird doch nichts kaputt sein? Vor allem das Navi bleibt rätselhaft, wenigstens ließ sich Helene Fischer beruhigen. Wir fahren auf einen Rastplatz und suchen nach der Bedienungsanleitung. Sie besteht aus vier Büchern, Band 1 umfasst 396 Seiten. Dagegen ist Guttenbergs Dissertation ein Dreck. Später auf der Autobahn programmieren wir beim Verändern des Kartenbilds versehentlich ein Zwischenziel, was die Route um 120km verlängert. Nach zwei weiteren Stopps beherrschen wir die Navigation, akzeptieren auch das blendende Display – nur nichts mehr verstellen! Warum beschleunigt das Auto jedoch so enttäuschend?
Am zweiten Tag entdecken neben den vielen Tasten und Hebeln zwei Wippen unterm Lenkrad, damit lässt sich die Drehzahl regeln. Damit kann man das träge Eco-Gefährt flott schalten. Andere Menüpunkte bleiben indes kryptisch. Nach drei Tagen jedoch kennen wir uns ganz gut. Erstaunlich, so ein modernes Auto bietet Dinge, die man bisher gar nicht entbehrt hat. Das nächste Mal werden wir noch den Parkassistenten ausprobieren. Als wir das Fahrzeug am Ende der Reise zurückgeben, tut es uns leid. Wir haben uns so an den Komfort gewöhnt. Wir steigen in unser eigenes fremdes Auto und haben vergessen, wie man es fährt. Es kommt an der Ampel ruckartig zum Stehen. Der Hintermann hupt.
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Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.
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