Warum nicht jeder x-beliebige Trend in der Hotelerie von Erfolg gekrönt ist und was Gästen wirklich hilft, verrät Wolfgang Bachmann in einer weiteren Ausgabe seiner „Reisefieber“-Kolumne.
Erstaunlich, wo man überall schlafen kann: mitten im Urwald beim Gekreisch von Papageien und Sittichen, in einem Formel-1-Rennwagen, im Seemannsheim, im Mädchenzimmer, auf einer Musical-Bühne, in einem ayurvedischen Meditationsraum, im Puff. Dazu bedarf es gar keiner exotischen Fernreisen, man muss nur mitten in der Republik ein Hotel mit Themenzimmern erwischen.
Diese Erfindung ist eine Rache an den Journalisten, die sich jahrelang darüber beklagt haben, dass sie bei ihren Dienstreisen in charakterlosen Hotels untergebracht werden, die einem internationalen Standard gehorchen und sich zum Verwechseln ähnlichsehen. Wo bin ich gerade? Das fragten sich die Kollegen, wenn sie nach einer feierlich abgeschlossenen Pressekonferenz am Morgen in ihrer Bettenhälfte unter einer verschwitzten Kunstfaserzudecke aufwachten. In Oberhausen, Saarbrücken oder Delmenhorst? Hier gab es Handlungsbedarf.
Die Hoteliers erkannten: Es reicht nicht, mit Minibar, Haarföhn und Frühstücksbüffet zu locken, man musste dem Gast einen Mehrwert bieten. Gerade dem strapazierten Firmenrepräsentanten vulgo Vertreter, der seine Nächte wochenlang in fremden Betten verbringt, musste ein unverwechselbares Ambiente geboten werden. Die Innenarchitekten waren also gefordert, konventionelle Nutzungsmöglichkeiten, deutsche Industrienormen und fiktionale Kulissen zusammenzubringen. Der Gast darf nicht maßlos verunsichert werden, er soll ohne Gebrauchsanleitung erkennen, dass sich im vermeintlichen Tresor nur die Minibar verbirgt, die Geweihe hinter der Tür als Kleiderhaken dienen und der Pütz mit dem dekorativen Tampen als Papierkorb benutzt werden darf.
Bisweilen kommt man sich etwas albern vor, wenn man von so einem Themenzimmer überrascht wird. Als müsste man in einem Theaterstück mitwirken und hätte seinen Text nicht parat. Oder wäre als erklärter Faschingsmuffel zu einem Kostümfest geschickt worden. Immerhin genießt man die Schadenfreude, dass die anderen Gäste genauso albern aussehen, wenn sie in ihren zerknitterten Anzügen auf Teppichstapeln und Frachtkisten vor Benzinfässern sitzen und unfreiwillig bei der Inszenierung Wir-frühstücken-im-Hafenspeicher mitwirken.
Dabei gäbe es ein dankbares, übertragbares, endlos variierbares Thema: Wohnen in guter Architektur.
Text: Wolfgang Bachmann
Photo: Pouyan Nahed/ unsplash
Autoreninfo:
Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift Baumeister. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen, etwa im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Unter dem Titel Fremde Zimmer ist in der Edition URLAUBSARCHITEKTUR eine Auswahl seiner „Reisefieber“-Kolumnen erschienen. Wenn Sie die nach wie vor höchst amüsante Reiselektüre erwerben möchten, finde Sie hier Restexemplare.

0 Kommentare