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La Darbia am Ortasee – Kaleidoskop des Müßiggangs

Von Weinarchitekten und Dichtermusen. Mit einem betörenden Panorama auf den Piedmontesischen Ortasee thront La Darbia entspannt über den Dingen und zieht dabei wie nebenbei so ziemlich alle Register des guten Lebens: schuld sind allein die Menschen, die hier wirken. Und der See.

von Britta Krämer im Mai 2022

La Darbia am Ortasee – Kaleidoskop des Müßiggangs

“Wenn wir eines nicht im Sinn hatten, so war es, Hoteliers zu werden.”, lacht Gian Carlo Primatesta, noch immer ein wenig ungläubig über den Einfallsreichtum des Lebens. Im “normalen” Alltag Architekten, haben er und sein Bruder Matteo eine verwilderte ländliche Siedlung in ein stilles Urlaubsrefugium verwandelt, das die Sinne tanzen lässt: Mit einem betörenden Panorama auf den Piedmontesischen Ortasee thront La Darbia über den Dingen und teilt den Logenplatz bereitwillig mit seinen Gästen. Das Anwesen feiert diesen Monat sein zehnjähriges Bestehen und wer einmal auf der Bank im hauseigenen Weinberg gesessen, sich mit einem feinen Glas Rosé in der Hand im Anblick des verträumten Sees verloren hat, der hat ein Stück vom Glück gefunden. Wie gut, dass das Leben es manchmal besser weiss!

la darbia

Alpin-mediterranes Tête-à-Tête

Nur eine Stunde nördlich von Mailand und unweit von Novara und der Schweizer Grenze, schimmert der schmale, rund 13 km lange Ortasee im Windschatten des Monte Rosa, umrahmt von der kontrastreichen Natur des Piemont. Still und friedlich liegt er da, die Silhouette des zweithöchsten Gipfels der Alpen ragt 4634 Meter in den Himmel und auf den terrassierten Anhöhen rundherum sonnen sich Rebgärten und kleine Dörfer in idyllischer Hanglage. Die Berggipfel sind noch schneebedeckt, doch am Seeufer blühen bereits Magnolien und Kamelien in den mediterranen Gärten historischer Villen.
Die Belle Époque schenkte dem Lago d’Orta und seinen malerischen Seestädtchen eklektische Bauten und sommerfrische Promenaden. Wer am Wasser entlang flaniert, trifft unentwegt auf Bootsanleger, Palmen und aussichtsreiche Belvederes.
Der Ortasee gilt als einer der romantischsten Seen Italiens, doch die wenigsten kennen ihn und strömen an seine bekannteren und grösseren “Brüder” Lago Maggiore und Comer See. Eine gute Fee scheint eine Tarnkappe über den piccolo lago gelegt zu haben, die nur für jene gelüftet wird, die einen Sinn für leise Schönheiten haben. Der Horizont ist nah und weit zugleich und am Morgen tauchen weiche Nebel die Landschaft in ein magisches Licht. Der See scheint in sich selbst zu ruhen und stimmt andächtig, ruhig und frei.

Genius Loci

Der Lago d’Orta ist ein romantisches Manifest. Und doch wirkt er nie kitschig, nie drapiert. Dem See, dessen Licht abertausend Facetten hat, haftet jene leise Eleganz an, die keine lauten Töne braucht um zu beeindrucken. Sobrio wie es die Italiener ausdrücken würden. Schlicht und deshalb berauschend schön. Und geheimnisvoll, so wie die kleine Klosterinsel San Giulio, die anmutig auf dem See zu treiben scheint. Wer ihre Via del Silenzio – den Weg der Stille – entlang läuft, dem enthüllt sich das Wesen dieses Eckchens Piemont ganz unmittelbar und wirkt noch lange nach.

Oberhalb des östlichen Seeufers liegt auf 400 Metern Höhe der Sacro Monte d’Orta, einer der neun Heiligen Berge Norditaliens, die alle gemeinsam zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurden. Die Architektur und Atmosphäre der zwischen 1590 und 1785 errichteten Wallfahrtsstätte ist beeindruckend: inmitten eines üppigen Landschaftsparks bilden 20 Kapellen unterschiedlicher Stilepochen einen spiralförmigen Rundweg und erzählen vom Leben und den Wundern des Franz von Assisi. Ein Spaziergang hier ist eine wahrhaft kontemplative Erfahrung, ein heiliger Moment des stimmigen Zusammenspiels von Baukunst, Natur und Genius loci.

Dichtermuse

Lord Byron, Nietzsche und Balzac ließen sich wie viele andere Intellektuelle und Künstler:innen der Jahrhundertwende von der sirenenhaften Schönheit des Ortasees verzaubern und der Mood jener Zeit liegt noch immer in der Luft. Man stelle sich die drei bei einem literarischen Stelldichein am lago vor: Jahrhundertwenden-Gespräche, philosophische Exkurse, manch realistisch-romantische Meinungsverschiedenheit. Dann lockert ein Schluck guten, runden Nebbiolo-Weines die Zungen, öffnet die Herzen und die Dichterphilosophen seufzen im Unisono. Es heißt, Friedrich Nietzsche habe – 1882 – Lou Andreas Salomé, die Frau, die ihn zu Also sprach Zarathustra inspirierte, auf dem Sacro Monte geküsst, was ihn derart durcheinanderbrachte, dass er von seinem Leben rückblickend in zwei Abschnitten schrieb: „vor Orta“ und „nach Orta”. Ob Lou oder die Seekulisse die betörendere Muse war, bleibt ein Geheimnis.

Patina

Der 1136-Seelen-Ort Orta San Giulio an der Ostseite des Sees ist eine Offenbarung. Die Zeit scheint hier irgendwann einfach stehen geblieben zu sein. Mittelalterliche und barocke Architektur, farbenfrohe Hausfassaden und zahlreichen Fresken zeugen vom Wohlstand einer vergleichsweise friedlichen Vergangenheit: im Laufe seiner Geschichte wurde Orta nur einmal, im Jahr 1524, vom Mailänder Sforza-Clan geplündert.
Am Ortseingang zieht die maurische Fassade der fabelhaften Villa Crespi alle Blicke auf sich, Italiens beliebtester Sternekoch Antonio Cannavacciuolo bringt hier die Gourmet-Gaumen aus aller Welt in euphorische Verzückung.
Ab hier geht es zu Fuss in die autofreie Altstadt, die als Halbinsel in den See auskragt. Direkt am Wasser steht an der malerischen Piazza Motta das legendäre, seit über 20 Jahren geschlossene Albergo Orta und verströmt – still und stumm – den faszinierend-dekadenten Charme der Belle Époque. Hinter den von Patina überzogenen Fassaden erahnt man die glanzvoll-nostalgische Atmosphäre eines Gran Budapest Hotel: Wes Anderson hätte seine wahre Freude daran!
Die Uferpromenade führt vorbei an würdevoll gealterten Palazzi inmitten beinah exotischer Vegetation. Auf der Piazza spielt sich der italienische Alltag ab und ist – wie kommt es nur? – so viel bühnenreifer als anderswo: an den Bootsanlegestellen warten pfeifend die Fährmänner, um Touristen:innen und Einheimische zur kleinen Klosterinsel zu schippern, alte Frauen stecken auf schattigen Bänken ihre Köpfe zusammen, Katzen schlafen auf den sonnengewärmten Steinen. Die wenigen Besucher:innen schlendern versonnen durch die engen, mit Kopfstein gepflasterten Gässchen, wo Efeu und Glyzinien die abblätternden Hausfassaden erobert haben. Immer wieder eröffnen zufällige Durchblicke neue Veduten auf den See.


Orta kommt ohne Zeitgefühl aus – das ist charmant und heilsam zugleich. Das antike Stadtwappen versinnbildlicht die im Mittelalter weit verbreitete Idee des hortus conclusus und zeigt Orta als geschützten Garten, der zum kontemplativen Verweilen einlädt. Ein stiller, zeitloser Ort für Geist und Seele. Etwas weiter oben am Hang thront noch so ein beseelter Ort, eine Oase, ein Gedicht: La Darbia.

Weinarchitekten

Matteo und Gian Carlo Primatesta haben ihre Wurzeln in dem kleinen Ort Ameno auf einer Anhöhe oberhalb von Orta. Das Klima hier ist mild, die Erde fruchtbar. Hier sind sie aufgewachsen, mit Blick auf den allgegenwärtigen See, geprägt von der ländlichen Kultur des Piemont, ihren Traditionen und alltäglichen Ritualen die vor allem eines bedeuten: harte Arbeit, Hingabe und einen tiefen Respekt für die Natur. Die Zeit verging, aus den Jungs wurden leidenschaftliche Architekten, die sich mit aussergewöhnlicher Weinarchitektur, Industriebauten und touristischen Projekten direkt an der Wasserkante einen Namen gemacht haben. Das Portfolio ihres STUDIOPRIMATESTA verzeichnet eine illustre, internationale Klientel, aber viel Aufhebens machen sie nicht darum. Stille Wasser sind tief.

Wein ist die zweite grosse Passion, die Matteo und Gian Carlo teilen. „Die Liebe zum Wein hat in unserer Familie tiefe Wurzeln. Unsere Großeltern waren Bauern und unsere Kindheit war von den Zyklen der Natur, ihren Elementen, Farben und Aromen geprägt. Die aufregendste Zeit im Jahr war die Weinernte: Familie und Freunde bevölkerten die Rebgärten in der warmen Oktobersonne und die Transformation der reifen Trauben in edle Tropfen war für uns wundersame Alchemie. Der Wunsch, eines Tages unseren eignen Wein zu keltern, muss sich damals ganz unbewusst in unsere Köpfe und Herzen geschlichen haben.”

2008 wurde den Brüdern das völlig heruntergekommene Anwesen der Darbia mit einer verfallenen Turmruine zum Kauf angeboten. Anfangs waren sie daran kein bisschen interessiert: zu viel Arbeit im Architektenalltag, ihre Familien hatten Nachwuchs bekommen… Doch plötzlich schob sich der lang gehegte Traum vom eigenen Weinberg wieder ins Bewusstsein, und da war noch mehr: “An einem lauen Sommerabend blickten wir von unserem Haus aus auf den See und die Insel San Giulio. Und da stand auf einmal diese Frage, diese Vision im Raum: Warum nicht die rurale Vergangenheit von La Darbia zu neuem Leben erwecken und den Ort in ein Urlaubsrefugium verwandeln, das mit dem Wesen dieses Fleckchens Piemont auf Tuchfühlung geht? La Darbia liegt am schönsten Hang des östlichen Seeufers, von hier aus zeigen sich Lago und Isolotto von ihrer besten Seite, die Aussicht ist schlicht spektakulär. Und Dank der relativ ebenen Topographie war es durchaus denkbar, hier Rebstöcke anzupflanzen.” Es reichte ein kurzer, brüderlicher Blickwechsel. Im Dezember 2010 begannen die Bauarbeiten.

Während der Arbeiten kamen die Spuren eines alten, terrassierten Weinbergs ans Licht, der Schätzungen nach aus dem 18. Jahrhundert stammt. Nachdem die baulichen Interventionen abgeschlossen waren, begannen die Brüder, ihre eignen Rebstöcke auf den alten Terrassen anzulegen. Heute produzieren sie eine kleine, feine Menge ihres eigenen Brut Rosé Metodo Classico aus der autochthonen Nebbiolo-Rebsorte, der sich in der suggestiven Cantina – made by STUDIOPRIMATESTA – zu einer erstaunlichen Auswahl gesellt: eine „Italienische Reise” – vom Friaul bis Sizilien – mit mehr als 100 erlesenen Flaschen. Weinliebhaber:innen bekommen hier weiche Knie.

Turmgeschichten

La Darbia liegt oberhalb von Orta inmitten eines weitläufigen Wald- und Parkgrundstücks mit uralten Kastanien, Ahorn und Hainbuchen. Wo sich heute Urlaubsfreuden entfalten, erstreckte sich ursprünglich eine kleine Siedlung, die bis in die Nachkriegszeit landwirtschaftlich bewirtschaftet war – vorwiegend mit Weinstöcken und einer Plantage aus Apfel-, Kastanien-, Walnuss- und Kakibäumen.
Das Emblem von La Darbia ist der schlichte Steinturm, dessen grauer Granit blauen Himmel berührt. Dreigeschossig, beherbergt er unten die Rezeption und oben eine Wohnung mit Rapunzelfeeling und filmreifem Ausblick. Betrachtet man den schmucklosen Bau, denkt man an mittelalterliche Burgen und edle Ritter, die unnahbaren Damen ihre Serenaden zuträllern. Doch die ursprüngliche Funktion des Turmes war eine andere – weit weniger romantische, dafür umso tiefer in der ruralen Kultur des Piemont verankerte: Der sogenannte roccolo war eine botanisch-architektonische Konstruktion, die im Piemont ab dem 15. Jahrhundert für den Vogelfang entstand und im 18. und 19. eine weite Verbreitung im gesamten Vorgebirgsgebiet Oberitaliens erfuhr. Der “steinerne Jägerstand” wurde von einem labyrinthischen Netz aus buschigen Bäumen umrahmt: nicht ganz einfach, hier wieder herauszufliegen! Mit dem offiziellen Verbot der Vogeljagd verloren diese Steintürme ihren Sinn und Zweck und wurden, von der Vegetation erobert, in den Dornröschenschlaf geschickt. Einer hatte Glück und wurde wachgeküsst. Die Belohnung folgte prompt: Tief im Wald der Darbia legten die Baubrüder ein kleines Wunder frei – ein vom Gestrüpp überwuchertes Aquädukt, dessen Quelle direkt auf dem Anwesen entspringt. Das naturreine Trinkwasser sprudelt auch in Zeiten allgemeiner Wasserknappheit verläßlich aus den Brunnen der Ferienanlage.

Wesentlich

Der verfallene Turm wurde wieder aufgebaut, alle anderen Gebäude des weilerartigen Ensembles sind neu und fügen sich organisch in die terrassierte Landschaft ein. Die Architektur der Darbia besinnt sich auf das Erbe vernakulärer Bauweise, adaptiert sie behutsam und im stillen Dialog mit dem See. Die Essenz dieses Landstrichs, seiner Kulturgeschichte und Bautypologien wurde für die Brüder zum architektonischen wie inhaltlichen Leitmotiv ihres Projekts.
Das chromatische Konzept der Innenräume greift die nuancenreiche Farbpalette der Natur auf während die blass-beigen Fassaden rurale Archetypen zitieren und nur hie und da vom ruhigen Grau kompakter Granitblöcke durchbrochen werden. Zum Wald hin introvertiert und von Efeu eingewachsen, öffnen sich alle Wohnungen zum Garten mit Weinberg und Salzwasser-Pool. Von hier aus wandert der Blick bis zum Monte Rosa.

Die Anlage reflektiert die schlichte Formensprache ländlicher Bauten und integriert lokale Materialien, heimische Vegetation und schnörkelloses Kunsthandwerk. Man läuft über Böden aus gespaltenem Gneis, über traditionelles Kopftsteinpflaster und monolithische Stufen aus handbehauenem Fels. Unwillkürlich folgt man dem Impuls, alle Oberflächen zu berühren: Rauer Stein und grobes Holz, glatter Kalkputz und Cortenstahl. La Darbia ist – auch – ein haptisches Erlebnis. Der Planungsansatz stellt die ganzheitliche Ansprache aller Sinne in den Fokus, ohne dadurch laut oder anstrengend zu werden. Genau das ist so besonders hier: Die Architektur schenkt Ruhe und Raum, wie eine sinnlich wahrnehmbare Liebenswürdigkeit.

Zum 10-jährigen Bestehen erhielten alle 20 Ferienwohnungen ein Restyling und erstrahlen nun in neuem Glanz. Die Innengestaltung spielt mit leiser, lokaler Ästhetik und meistert den Spagat zwischen Reduktion und Raffinesse. Rurale Elemente und schlichte Eleganz mit einer Prise Retro verbinden sich in harmonischer Synthese und integrieren – wohldosiert und nahezu “plastic free”- zeitgenössischen Komfort. Dabei ist jede Wohnung anders – innen wie aussen. Ihre Namen – Buongiorno Rosa, Frate Sole oder A.D. 1880 lassen die rurale Vergangenheit vor dem inneren Auge aufleben, und wer sich auf die Spuren ihrer Geschichte(n) begibt, taucht tiefer in das Wesen von La Darbia und seiner Menschen ein. Denn so wie der Ortasee sind auch die Menschen hier: Voller Sanftheit, Stille und Tiefe.


Im lichten Wald, der die Grundstücksgrenzen von La Darbia schützend umgibt, steht still und stumm jahrhundertalter Baumbestand, schenkt kühlen Schatten und heilsame, grüne Ruhe. Wie in den Landschaftsparks des 19. Jahrhunderts flaniert man über das Gelände der Darbia und wartet darauf, dass die Seele zu schwingen beginnt. Und das tut sie.

Rituale

Im hauseigenen Restaurant La Cucina rockt Matteo Monfrinotti, blutjung aber mit bemerkenswertem Curriculum, die offene Küche. Offen im wahrsten Sinne des Wortes, denn lo chef höchstpersönlich fabuliert mit den Gästen am Tisch und empfiehlt die passende Menüwahl, um dann mit konzentrierten Handgriffen und einem perfekt eingespielten Team kulinarische Meisterwerke auf die Teller zu zaubern. Die Gäste geniessen in der Zwischenzeit den Blick auf den See, den der Gastraum durch seine bodentiefen Glastüren inszeniert. Worte sind hier völlig unzulänglich um die Kreationen zu beschreiben die beides sind, hohe Kochkunst und eine tiefe Verbeugung vor der ruralen Tradition des Piemont und seiner Produkte. Lässt man den Blick durch den Saal schweifen, wo Urlauber:innen und Locals Tisch an Tisch schlemmen, stellt man eine allgemeine Verlangsamung der Bewegungen fest. Andächtig werden Gabeln zu Munde geführt, wird Wein geschwenkt und mit gespitzten Lippen genüßlich gekostet; an den Tischen wird es still, die Gesichter – auch die der Kinder! – blicken verzückt und auch ein wenig verwundert ob dieses unverhofften gustatorischen Feuerwerks.

In der warmen Jahreszeit hält der Garten Eden Einzug in La Darbia: der private Aussenbereich einer jeden Wohnung, die geschmackvoll gestaltete Restaurant-Terrasse und die idyllischen Sitzinseln inmitten der Hochbeete des mediterranen orto biologico werden zum Setting mußevoller Urlaubsrituale: ein morgendlicher Cappuccino, während die ersten Sonnenstrahlen den Monte Rosa zum Leuchten bringen und vom Sacro Monte her das Läuten der Glocken ertönt, stille Lesezeit im Schatten der alten Kastanien, ein meisterhaft gemixter Cocktail zum Aperitif, gefolgt vom feinen Dinner bei Kerzenlicht oder einem Abend mit guten Gesprächen an der langen Tafel unter der Pergola. Geheimnisvoll und friedlich: der See. Die Götter müssen verliebt sein.

Mit der Eröffnung der Darbia haben sich die Primatesta-Brüder auf bis dato unbekanntes Terrain gewagt: die Hotellerie. Daß ihnen damit anfangs auch die Rolle der Gastgeber zufiel, war noch so eine glückliche Fügung des Lebens und lieferte dem brüderlichen Architektendasein einen geselligen “Nebenjob”, der – seit 10 Jahren – jeden Mittwoch Abend eine Zugabe genießt. Mehr wird nicht verraten, vielleicht nur so viel: Gian Carlo schneidet mit zenhafter Hingabe Parmaschinken, Matteo läßt edle Tropfen in die Gläser perlen und beide bekommen so ein Leuchten in den Augen wenn sie erzählen…

Legendär

Apropos leuchtende Augen. Der kleine, geheimnisvolle See hat nicht nur Nietzsche zu großartigen Kreationen angeregt, er hat Designgeschichte geschrieben. Die kunsthandwerkliche Verarbeitung von Metall hat hier eine jahrhundertalte Tradition und in fast jeder stilverliebten Küche der westlichen Welt dürfte eine Ikone vom Lago d’Orta zu finden sein – vom kultigen Wasserkessel mit dem roten Vögelchen über elegante Armaturen bis hin zu jener achteckigen Diva aus Aluminium, die zum Inbegriff des Italienischen Lebensgefühls wurde. Ab den 1920er Jahren ließen sich so legendäre Familienunternehmen wie Alessi, Bialetti oder Fantini rund um den See nieder und exportierten il made in Italy rund um den Globus, heute pilgern Stil-Puristen:innen aus aller Welt zu den Designtempeln am Ortasee. Das mittlerweile nur noch ganz wenige der legendären Marken in Familienhand sind, ist ein Zeichen unserer Zeit, das lokale Kunsthandwerk hingegen ist so authentisch und ortsverbunden wie eh und je.

Menschsein

La Darbia enthüllt seinen Charme unaufdringlich und das liegt an den Menschen, die hier wirken. Wohin man sich dreht, es ist entspannt, es stimmt und schwingt. Das Bedürfnis nach Begegnung und Inspiration schlummert in uns allen. Wenn wir auf Orte und Menschen treffen, die etwas in uns zum Klingen bringen, stellt sich das Lebenswerte ein. Das ist Resonanz. Das macht unser Menschsein aus. Die Gastgeber der Darbia haben dieses Prinzip verinnerlicht, haben emphatische Antennen für die Stimmlagen und Lebenswelten ihrer Gäste und so gelingt hier ganz selbstverständlich, was andernorts nicht immer funktioniert: Das entspannte Mit- und Nebeneinander unterschiedlicher Gästekonstellationen und Urlaubsbedürfnisse. Damit entzieht sich La Darbia auch jeglichem touristischen Schubladendenken und macht alles ein wenig anders als gewohnt. Schöner irgendwie, und leichter.


Die menschliche Komponente der Darbia, die Begegnung auf Augenhöhe mit den Gästen, den grossen wie den kleinen, ist der ausschlaggebende Impuls, der ein Perpetuum mobile aus achtsam erdachten und zutiefst genossenen Urlaubsmomenten in Gang setzt: Die gemeinsame Weinernte; ein himmlisch nach Heu duftender Frühstückskorb, der morgens direkt an die Wohnungstür geliefert wird; Raum für stillen Rückzug und herzliche Begegnung; der tolle Spielplatz mit Seilbahn. Oder einfach nur ein nettes Gespräch, mit Matteo, Gian Carlo, Angela oder Federico. Als hätten sie alle Zeit der Welt. Die nehmen sie sich. Und das fühlt sich gut an und echt.


Text: Britta Krämer, Mai 2022

Fotos: Alessandro Erbetta, Lewis Darby via Unsplash, Walter Zerla, Bruno Pulici, Laura Fantacuzzi, Pier Maulini, Sanne Motza, Christian Brandstätter, Gian Carlo and Matteo Primatesta, Britta Krämer

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2 Kommentare

suedwester sagt:
Man möchte direkt losreisen! Vielen Dank für die umfassende wie einfühlsame Vorstellung des Hauses.
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Namenskrise sagt:
Toller Beitrag und trifft es ziemlich gut. Wir waren schon 6 mal im La Darbia magico. Leider muß man sagen das die Preise für die Übernachtung langsam aber sicher in Regionen verschoben werden die nur schwerlich zu rechtfertigen sind.
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