Urlaub mit Meerblick – herrlich! Wer träumt nicht davon? Doch wenn die Ferienwohnung in der 13. Etage eines Hochhauses aus den 70er Jahren liegt oder auf 35 qm für vier Personen optimiert ist, entspricht das noch unseren heutigen Urlaubswünschen? Und kann gute Architektur das Fehlen von zeitgemäßem Komfort wettmachen? Die Urlaubsgäste in der Ferienanlage Burgtiefe bekommen selten mit, dass sie in einem architektonischen Gesamtkunstwerk übernachten. Wie auch: kein Schild weist darauf hin, dass dies der Entwurf eines der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhundert ist. Auch die Verantwortlichen auf Fehmarn haben das architektonische Erbe lange nicht gewürdigt. Im Laufe der Jahre wurden Teile abgerissen und neue, anspruchslose Gebäude hinzugefügt. Seit 2004 steht das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz.
Die Idee einer Ferienhaussiedlung fiel in die Boomzeit des Tourismus in den 1960er Jahren. Viele Ostseebäder erhöhten ihr Bettenangebot durch großen Feriensiedlungen. Mit dem Bau der Fehmarnsund-Brücke, die 1963 eröffnet wurde, startete auch Fehmarn in eine neue Zeit. Ein städtebaulicher Ideenwettbewerb für eine Feriensiedlung am Südstrand unter der Leitung des deutschen Architekten Egon Eiermann kürte den Entwurf von Arne Jacobsen und Otto Weitling zum Sieger. Ihr Konzept: Respekt für die Landschaft und behutsame Eingriffe. Neben den Apartmenthäusern, Bungalows und drei Hochhäusern wurden verbindende Elemente geplant: das Haus des Gastes, das Kurmittelhaus und ein Meerwasserwellenbad.
Die Architekten planten die Anlage als offenes Konglomerat aus einzelnen Gebäuden. Alles sollte quasi wie zufällig in die Landschaft geworfen aussehen. Die nüchterne und funktionale Architektur wurde durch organische Formen aufgelockert. Die aufs Minimum reduzierten Wohnungen bekamen alle Meerblick. Ursprünglich waren keine Hochhäuser geplant, sondern drei Y-förmige Gebäude mit nur vier Etagen. Doch die Bauherr:innen wollten mehr, maximale Auslastung war das Ziel. Und so wurden die drei Hochhäuser das bereits aus weiter Ferne sichtbare Symbol von Burgtiefe. Für Fehmaraner seien sie immer noch ein Fremdkörper, erzählt Jan Dimog, selbst Inselkind und zusammen mit Hendrik Bohle Kurator der Ausstellung „Gesamtkunstwerke – Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“, die noch bis zum 28. August 2022 im Haus des Gastes zu sehen ist. Sieben der acht Bauprojekte, die das dänische Architektenduo in den 60er- und 70er-Jahren in Deutschland geplant haben, werden darin vorgestellt.
Zur Ausstellungseröffnung musste das Haus des Gastes erst einmal fit gemacht werden. Seit Jahren steht es leer, auch ein Abriss wurde diskutiert. Eine Sanierung sei dringend nötig, sagt Jan Dimog, um die Leichtigkeit und Eleganz des unscheinbaren Gebäudes sichtbar zu machen und um der Gesamtanlage wieder ein Zentrum zu geben. Dimogs Begeisterung für die Architektur der Feriensiedlung ist durch die Arbeit an Buch und Ausstellung stetig gewachsen. Den Wert des architektonischen Erbes würde man vor Ort spüren, damit unterscheide sich Burgtiefe deutlich von anderen Ostseebädern. Das beste Arne Jacobsen-Feeling bekomme man in den Bungalows, ergänzt er. Die zu zwei Seiten verglasten Wohnräume sind zum Wasser und Licht ausgerichtet und mit 80 qm quasi luxuriös.
Ein gutes Investment, darauf hoffte auch das Hamburger Ehepaar Anke und Enno Schwan. 2006 kauften sie ihre erste Wohnung in dem 5-geschossigen Apartmenthaus am westlichen Ende. 35 qm für bis zu vier Personen plus Baby – was eher nach Tiny-Haus als nach komfortabler Ferienwohnung klingt, ist bei Urlauber:innen sehr beliebt. Die Auslastung ist hoch und das Gästebuch voller positiver Kommentare. Motivation genug für Ehepaar Schwan, eine zweite Wohnung zu kaufen. „Kein Quadratzentimeter zu viel und keiner zu wenig“, erklärt Enno Schwan begeistert das Konzept. In jeder Ecke merke man, dass die Architekten gut geplant hätten und der begrenzte Raum nicht zu Lasten der Wohnqualität gehe. Seit einiger Zeit gibt es für die rund 800 Eigentumswohnungen, von denen der Großteil vermietet wird, ein Gestaltungshandbuch. Es soll eine Hilfestellung sein und motivieren, im Sinne der Ursprungsidee die Wohnungen zu renovieren. Allerdings gilt das nur für die Fassaden und Gemeinschaftsflächen. Innen sind die Wohnungen nach persönlichem Gusto möbliert, die berühmten „Schwäne“ und „Ameisen“ von Arne Jacobsen sucht man meist vergebens. In den Wohnungen dominiert bürgerlicher Polsterchic in abgetönten Farben.
Die Beliebtheit der Ferienapartments ist seit 50 Jahren ungebrochen. Die kleinen Wohnungen bieten ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis und eine 1A-Lage. Auch die IFA-Hotel-Hochhäusern sind gut gebucht. Die Verkaufspreise der Eigentumswohnungen sind in den letzten Jahren in die Höhe geschossen und freie Wohnungen finden umgehend neue Besitzer:innen. Arne Jacobsen und Otto Weitling wussten bereits vor 50 Jahren, dass Urlaub mit Meerblick zeitlos ist.
Die Wanderausstellung „Gesamtkunstwerke – Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“ ist noch bis zum 28.08.2022 im Haus des Gastes in Burgtiefe auf Fehmarn zu sehen. Geöffnet täglich von 11-17 Uhr (außer Mo), Eintritt frei.
Anschließend ist die Ausstellung vom 13.09.-14.10.22 im Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz in Mainz zu sehen.
Das Buch zur Ausstellung ist bei Arnoldsche Art Publishers erschienen und kostet 38 €.„Gesamtkunstwerke –Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“ Hendrik Bohle und Jan Dimog (Hrg.)
Der Journalist Jan Dimog und der Architekt Hendrik Bohle betreiben gemeinsam die Plattform www.thelink.berlin. Dort schreiben sie über Themen rund um Reisen und Architektur. Lesenswert ist Jan Dimogs ausführlicher und sehr persönlicher Bericht über Burgtiefe „Die Krone der Insel“.
Übernachtungstipp: www.ostseenest-fehmarn.de – in dem Apartment Ostseenest #2 erinnert auch die Einrichtung an Arne Jacobsen.
Text: Anke Frey, 2022
Vielen Dank an das Stadtarchiv Fehmarn, Jan Dimog und Hendrik Bohle für die Bereitstellung der Fotos.
3 Kommentare
Wirklich sehr gute Architektur, die gehegt und gepflegt werden sollte! Wenn man einmal in den Häusern gewesen ist, erkennt man, wie klug sie geplant wurden. Zum Glück soll weiterhin kräftig in die „Arne-Jacobsen-Siedlung“ investiert werden – mit sowohl privaten wie öffentlichen Geldern…
Wirklich, wirklich hässliche Architektur ! Der dänische Architekt Arne Jacobsen wollte nach dem Bau auch nicht mehr mit seinen Arbeiten auf Fehmarn in Verbindung gebracht werden. Er war überaus wütend ueber die Bauten, die dort unter seinem Namen entstanden sind. Während der Bauphase, die Jacobsen nicht mehr begleitete, wurde der ursprüngliche Entwurf durch die Bauherren (Stadt Fehmarn) vor allem aufgrund ökonomischer Faktoren verändert. Die wesentlichen Änderungen betreffen die deutlich erhöhte Gesamtanzahl an Wohnungen sowie die drei Fernblickhäuser mit den dazugehörigen Restaurants, Cafés und Bars. Diese wurden nicht nach den Plänen von Jacobsen viergeschossig errichtet, sondern aufgrund des sich verstärkenden Tourismus aufkommen und veränderter städtebaulicher Zielsetzungen auf 17 Geschosse erweitert. Ebenso wurde von der Form einer sternförmigen Wohnsiedlung abgesehen und stattdessen jeweils neun drei- und fünfgeschossige, linienförmige Appartementkomplexe errichtet. Der Denkmalschutz ist hier ein Witz !
Wirklich tolle nordische Architektur ohne Schnörkel und mit klarer Kante