Reisefieber – die Kolumne von Wolfgang Bachmann auf URLAUBSARCHITEKTUR
Ob man in Hamburg auch „Mitbringsel“ sagt, lassen wir dahingestellt. Das Wort besitzt eine sehr betuliche, süddeutsche Färbung. Aber was es bezeichnet, gilt über alle Sprachgrenzen hinweg.
Mitbringsel sind kleine reisekultische Gegenstände. Sie dienen dazu, die Erinnerung an den Urlaub wach zu halten, wozu man etwas Typisches aus seinem Ferien-Exklave als Fetisch mitnimmt oder wenigstens ein signiertes Abbild davon, zum Beispiel einen Bierseidl oder einen Aschenbecher mit Schloss Neuschwanstein drauf. Jüngere Urlauber bevorzugen eher ein T-Shirt, etwa mit dem Aufdruck Hardrock Café Marbella. Mitbringsel werden aber auch gerne an die Daheimgebliebenen verteilt, die erwartungshungrigen Eltern, die Nachbarin, die die Blumen versorgt hat, oder die Kollegen, denen man wenigstens eine Geschmacksprobe Ouzo aus dem Duty-Free-Shop spendieren muss.
Man unterscheidet die natürlichen Landesgaben, also Muscheln, Pinienzapfen oder Vogelfedern, deren Bergung man mit halsbrecherischen Reportagen begleiten kann, dann die zum Verzehr geeigneten wie Salami oder Maronencrème, die selbstverständlich aus einem kleinen, völlig abgelegen Lädchen stammen, das zuvor noch nie ein Tourist betreten hat, weiter die wirtschaftlichen (weil Maßanzüge in China unverschämt günstig sind) und schließlich die eigens als Reiseandenken hergestellten Artikel. Siehe oben, Neuschwanstein.
Die Quarantäneschwelle für Reisedevotionalien wird sehr niedrig gehalten, man darf praktisch jeden Kitsch einführen, da die Erreger nicht beherrschbar sind. Und leider sind alle Menschen davon betroffen. Die Oma freut sich über ihren geweihten Rosenkranz aus Lourdes und den Ettaler Klosterlikör, der Sohn findet das kulturlos und zeigt sich cool mit seiner MoMA-Cap aus New York, die Enkeltochter hat sich auf der Klassenfahrt nach Berlin ein neues Tattoo stechen lassen und hängt sich Omas Rosenkranz um, wenn sie in die Disco geht. Das Thema hat also noch Zukunft.
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Wolfgang Bachmann war Chefredakteur und danach Herausgeber der Architekturzeitschrift “Baumeister”. Neben seiner journalistischen Arbeit ist er weithin bekannt für seine oft augenzwinkernden Kolumnen z.B. im Baumeister und für die Süddeutsche Zeitung. Wolfgang Bachmann schreibt ab 2014 regelmässig für URLAUBSARCHITEKTUR.
Ein Kommentar
Und dann gibt es noch eine ganz besondere Sorte Reise-Mitbringsel: Die Urlaubsliebe. Passt meistens ins heimische Habitat genauso gut wie das handgeschnitzte marokkanische Kamel….