Von gelebten Träumen: Das Gemeinschaftsprojekt MeerLeben
Direkt an der idyllischen Ostseeküste, weniger als 1 Kilometer vom Strand entfernt, ist ein „Dorf der anderen Art“ entstanden, in dem ganz unterschiedliche Menschen gemeinsam ihren Traum vom eigenen Ferienhaus geplant und verwirklicht haben.
MeerLeben nennt sich das Projekt – wobei die naheliegende Assoziation zu „mehr Leben“ sicher kein Zufall ist. Hier wird kollektiv entschieden, aber für sich gelebt, gemeinschaftlich genossen, aber individuell geträumt. Der Architekt Patric F.C. Meier, Teilhaber von agmm Architekten + Stadtplaner in München, hat mit MeerLeben seinen Traum vom ersten gemeinschaftlich geplanten Feriendorf Deutschlands verwirklicht. Er spricht leidenschaftlich von Beziehungskultur und Nachhaltigkeit, von Räumen und ihren Geschichten.
Innovative und inspirierende Konzepte für neue Wohnformen gibt es zahlreiche – von generationsübergreifendem Wohnen über gemeinschaftliches Leben auf dem Land bis hin zu Projekten mit nachhaltigem oder interkulturellem Ansatz. Für immer mehr Baugenossen- und Baugemeinschaften ist das gemeinschaftliche, mitbestimmte und nachhaltige Planen und Bauen von hoher Bedeutung. Ihre Mitglieder vereint der Wunsch, bezahlbaren und dabei qualitativ hochwertigen Wohn- und Lebensraums zu schaffen, der Zusammenleben in einer Gemeinschaft ermöglicht und gleichzeitig die individuellen Bedürfnisse der Bewohner berücksichtigt. Voraussetzung ist die Bereitschaft zu gemeinschaftlichen Entscheidungen und den daraus resultierenden Kompromissen. Aber gerade durch die intensive Auseinandersetzung im Zuge des planerischen Prozesses entsteht eine hohe Identifikation der zukünftigen Bewohner mit dem Areal und ihrem individuellen Zuhause. Und: Der Zusammenhalt der einzelnen Parteien wird auch über die Planungsphase hinaus gelebt – durch Gemeinschaftseinrichtungen auf dem gemeinsamen Grundstück entsteht Raum für informelle Begegnungen. Menschliche Beziehungen werden gefördert, ohne die individuellen Rückzugsorte anzutasten. So auch im Falle von MeerLeben: Man kann gemeinsam kochen und den Sternenhimmel bestaunen oder aber sich mit einem Tee und einem guten Buch in die eigenen vier Wände zurückziehen. Alles kann, nichts muss.
Die Verbindung von Architektur und sozialem Gedanken möchte auch Patric F. C. Meier mit seinen Feriendörfern schaffen. Und damit eine Idee vorantreiben, an die er glaubt. Eine Idee, die vielleicht viele umtreibt, die aber dennoch, zumindest in Deutschland, bisher ihresgleichen sucht. Obwohl sein Lebensmittelpunkt München ist, hat er sich für die Ostsee entschieden – wegen seiner persönlichen Affinität zu Norddeutschland und der Küste, aber natürlich auch wegen der dort noch vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Versuch, das Konzept im Alpenvorland umzusetzen, ist bisher noch nicht geglückt. An der Ostsee gibt es – trotz anfänglicher Skepsis – auch bei den Ortsansässigen viele positive Reaktionen auf das Projekt. Einige haben sogar spontan mitangepackt und bei handwerklichen Engpässen ausgeholfen. Damit greift die soziale Vernetzung gleich doppelt.
Die Mitstreiter haben sehr unterschiedliche Beweggründe, sich einer Baugemeinschaft anzuschließen: Neben der Begeisterung für die Idee steht natürlich die Realisierung des Traums vom eigenen Ferienhaus im Vordergrund: ein individuelles Haus, aber dennoch als Teil des Ganzen schon „vorgedacht“ und vorgeplant. Ein Gestaltungsleitfaden gibt die Grundstruktur vor, damit alles aus einem Guss wirkt, der gestalterische Anspruch bestehen bleibt und der ökologische Gedanke umgesetzt wird. Die Grundrisse bleiben individuell gestaltbar, sodass keine monotone Ferienhaussiedlung entsteht, sondern alle 13 Häuser die Handschrift ihrer Bewohner tragen. Mit so kreativen Namen wie GehtDoch, VielleichtNoch, WarumNicht oder Nurso sind sie so unterschiedlich wie ihre Bewohner – es gibt kleine und große Häuser, einfacher und komfortabler ausgestattete Domizile, manche haben eine Sauna, fast alle einen Kamin. Vielfalt in der Einheit.
Ganz so einfach war es allerdings nicht, Leute zu finden, die sich mit allen Kompromissen auf das Projekt einlassen. Prinzipiell begeistert von der Idee, steht vor allem für jüngere Familien zunächst Wohneigentum im Alltag im Vordergrund. Doch eine Mietwohnung in der Stadt und ein eigenes Ferienhaus für die erholsamen Wochen im Jahr oder auch als Zweitwohnsitz, in dem man gerne auch mehr Zeit als nur den Urlaub verbringt, dieses Konzept erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Auch wegen der Möglichkeit, das Feriendomizil zu vermieten – an Bekannte und Freunde oder auch professionell. Ein Modell, das beiden Parteien Nutzen bringt: Im Projekt LandLeben in Tornow, mitten in der Ruppiner Wald- und Seenlandschaft, können die zukünftigen Hausbesitzer sogenannte „Genussscheine“ an Freunde vergeben, die sich in der Bauphase finanziell beteiligen. Diese Scheine können diese nach Fertigstellung der Häuser wieder einlösen und eine bestimmte Anzahl an Tagen unentgeltlich im Ferienhaus wohnen.
Der soziale Gedanke ist auch die Basis für sein neues Projekt namens KoDorf, mit dem Katrin Frische (Historikerin und Biografin) und Frederik Fischer (Journalist) zusammen mit Patric F. C. Meier ein Zuhause für Menschen schaffen möchten, die lieber auf dem Land als in der Großstadt leben und arbeiten möchten. Mit der VielLeben eG entsteht derzeit das erste Dorf rund eine Stunde von Berlin entfernt – eine neu geschaffene Siedlung auf dem Gelände eines ehemaligen Sägewerks mit gemeinschaftlichen Bauten für Coworking Spaces und Kultureinrichtungen. Unabhängig davon, ob für den Alltag oder den Urlaub gebaut: Eine erfolgreiche Umsetzung des gemeinschaftlichen Lebens setzt immer auch entsprechende Planungs- und Finanzierungskonzepte voraus. Nur so wird Raum für innovative Initiativen geschaffen.
An Ideen für weitere Projekte mangelt es Patric F.C. Meier jedenfalls nicht: Weitere Projekte sind auf den Weg gebracht, an einigen davon ist URLAUBSARCHITEKTUR beratend beteiligt. Ob LandLeben, BergLeben, GolfLeben, SeeLeben – eines ist sicher: Der Gedanke von Architektur als gebaute Beziehungskultur ist immer die treibende Kraft.
Text: Tina Barankay, November 2019
Autoreninfo: Tina Barankay verbindet ihre Leidenschaft für Ästhetik und Gestaltung seit vielen Jahren mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Als freie Journalistin und Beraterin veröffentlicht sie Beiträge, realisiert Publikationen und entwirft Kommunikationskonzepte in den Bereichen Architektur, Interior und Design.
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2 Kommentare
Patric's is a wonderful vision, and something I have been searching for as a primary (not just holiday) residence here in my beautiful home state of New York. How I wish examples of this "together yet separate", cooperative living with this aesthetic existed here in NY, or somewhere in New England in the US. Unless Patric stretches his geographic range, I may never find it… At any rate, I am so glad to see someone pursuing the concept and making it a reality.
Sounds ideal and very tempting