Passa Tempo
Italien // Marken
Im Passa Tempo markiert eine skulpturale Stahltreppe den Wandel vom bäuerlichen Landhaus zum zeitgenössischen Wohnraum. Das typische Bauernhaus in der Hügellandschaft der Marken wurde vom Architekturbüro mgark in einen großzügigen Rückzugsort verwandelt. Im Zentrum: ein über drei Etagen offener Luftraum, der an die frühere Nutzung als Stall erinnert. Darin eingefügt wurde eine frei stehende Stahltreppe, die sich mittig im Raum wie ein skulpturales Element emporwindet. Sie ersetzt die frühere Außentreppe und verbindet die gemeinschaftlichen Bereiche des Hauses mit den privaten Rückzugsorten darüber. Drumherum: die unberührte Landschaft zwischen Osimo und Montefano – eine stille Mitspielerin in der architektonischen Gesamtkomposition.
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Amtsalon
Deutschland // Berlin
Ein ehemaliges Gerichtsgebäude, verwandelt in einen Ort für Kunst- und Kulturprojekte – das ist der Amtsalon in Berlin. Das denkmalgeschützte Gebäude mit begrüntem Hinterhof liegt an der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg. Es wurde 1896 erbaut und von Grüntuch Ernst Architekten behutsam in einen multidisziplinären Projektraum transformiert. Für Ausstellungen und Veranstaltungen stehen zwanzig Räume unterschiedlicher Größe, das Foyer und das imposante historische Treppenhaus zur Verfügung. Zwischenzeitlich beherbergte das Haus den Showroom 79 des Leuchtenherstellers Bocci – die spektakuläre Lichtinstallation im Treppenhaus ist geblieben: Hunderte leuchtende Glaskugeln interpretieren die barocke Bausubstanz neu und verwandeln den Aufstieg in ein nahezu meditatives Erlebnis.
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The Long House
England // Norfolk
Im Long House von Hopkins Architects wird eine hölzerne Wendeltreppe zum skulpturalen Mittelpunkt eines Ferienhauses an der Ostküste Englands. Die frei stehende Treppe verbindet das Erdgeschoss und die Galerieebene im offenen Hauptraum des Gebäudes. Eingefasst in einen runden Holzzylinder wirkt sie wie ein Möbelstück, fügt sich nahtlos in das puristische Raumkonzept ein und verleiht dem zentralen Hallenraum eine fast sakrale Ruhe. Mit ihrem weichen Schwung setzt die Treppe einen Kontrapunkt zur strengen Geometrie des Hauses – und wirkt gerade dadurch wie ein ruhiger Ankerpunkt im offenen Raum.
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Villa Winternitz
Tschechien // Prag
In der 1932 erbauten Villa Winternitz setzte Adolf Loos seinen charakteristischen „Raumplan“ um – ein Konzept, das die klassische Geschossgliederung zugunsten eines fließenden Systems verschachtelter Raumhöhen und -volumen auflöst. Die Treppe spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie führt nicht einfach von unten nach oben, sondern inszeniert ein kontinuierliches Raumgefüge. Vom unscheinbaren Seiteneingang gelangt man über eine erste Treppe in den doppelgeschossigen Salon, das Herzstück der Villa. Weitere Treppen erschließen fast unmerklich Arbeitszimmer, Speisezimmer und Schlafräume mit unterschiedlichen Raumhöhen. Durchbrochene Wände eröffnen überraschende Blickachsen, teils über mehrere Ebenen hinweg. Bis heute lässt sich in der Villa Winternitz erleben, wie Loos ein neues Raumverständnis schuf – modern, funktional und seiner Zeit weit voraus.
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La Casa di Bru
Italien // Apulien
Das Leben in Süditalien findet vor allem im Freien statt. In diesem Sinne führt in der Casa di Bru eine Außentreppe zu einem der schönsten Plätze des Haupthauses: der Dachterrasse mit Blick über die Olivenhaine und die apulische Landschaft. Hier können Gäste den Sonnenuntergang genießen oder einfach die Ruhe der Umgebung auf sich wirken lassen. Die schmalen, unregelmäßigen Stufen verleihen der Treppe einen handwerklichen Charakter, ganz typisch für die Region. Die weiß getünchten Stufen scheinen direkt aus der Wand herauszuwachsen: So wird die Treppe zu einem charmanten Detail, das zur besonderen Atmosphäre von La Casa di Bru beiträgt.
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Casa Raslei
Schweiz // Tessin
Rückbau statt Neubau: Mit einfachen Mitteln haben Buchner Bründler Architekten die Identität eines geschichtsträchtigen Ortes bewahrt. Die Casa Raslei ist ein Ensemble aus alten Steinhäusern, eingebettet in die wilde Landschaft des Onsernone-Tals. Fast zehn Jahre lang standen die Gebäude leer, bevor sie in einen bewohnbaren Rückzugsort verwandelt wurden, mit Sommerhaus, Winterstube und Badehaus. Die ehemals kleinteilige Kammerstruktur des Sommerhauses wurde zu einer zweigeschossigen Halle geöffnet, in der die einzelnen Elemente objektartig zur Geltung kommen. Besonders eindrucksvoll: die Treppe aus Ortbeton, die heute ins Leere führt – und gerade dadurch ihre skulpturale Präsenz entfaltet.
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Denkmal Karlstadt
Deutschland // Franken
Im Denkmal Karlstadt ersetzt ein neu gebautes Treppenhaus einen abgerissenen Gebäudeteil – und verwandelt sich in ein begehbares Kunstwerk. Architekt Alfred Wiener und das Künstlerduo Mutsuo Hirano und Thomas Lange gestalteten den neuen Treppenraum als bewussten Bruch zur Handwerkssprache des 16. Jahrhunderts. Auf dem Weg vom Café im Erdgeschoss zu den zwei Ferienwohnungen darüber zeigen sich aufsteigende, expressive Farbverläufe, überwiegend mit Kalkkaseinfarben geschaffen, auf geschaltem Sichtbeton und einem Geländer aus hölzernen Bildplatten. Mit der Zeit wird das Werk Patina ansetzen – und so selbst Teil der Geschichte des Hauses werden.
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Jardin Urbain Paris
Frankreich // Paris
Als Teil eines kompakten Stadtensembles mit übereinandergestapelten Wohneinheiten empfängt das Apartment Jardin Urbain Paris seine Gäste über eine offene Betontreppe. Ein architektonischer Clou ist die freitragende Betontreppe im Inneren – ohne Setzstufen ausgeführt, wirkt sie leicht und beinahe schwebend. Sie verbindet nicht nur den großzügigen Wohnbereich im Erdgeschoss mit der privateren Schlaf- und Arbeitszone im Obergeschoss, sondern betont mit ihren geradlinigen Konturen auch den Loft-Charakter des Apartments. Das Spiel aus rohem Beton in der unteren Etage und warmem Holz oben erzeugt einen klaren, spannungsvollen Materialkontrast.
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Kuća Skala
Kroatien // Novigrad
Kuća Skala – das „Haus der Treppe“ – ist ein schmaler Bau in Dalmatien aus den 1930er-Jahren, umgebaut von dem Architekten und Designer Boris Kajmak. Wie ein vertikales Loft stapeln sich hier vier offene Ebenen übereinander. Im Zentrum: eine schwarze Stahltreppe. Sie erschließt nicht nur die Räume, sondern dient zugleich als Skulptur, Regal und Sitzgelegenheit. In Anlehnung an die von zahllosen Stufen geprägte Altstadt von Novigrad übernimmt die Treppe auch hier eine Hauptrolle. – „Sich zwischen den vier Ebenen über die schwarze Stahltreppe zu bewegen, ist ein Genuss“, schreibt ein Gast: „Wie ein Schlendern durch eine Ausstellung.“
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Grams Gård
Schweden // Österlen
In Grams Gård, einem ehemaligen Bauernhof in Schwedens südlicher Küstenregion Skåne, gelingt die Umnutzung zu einem Ferienhaus mithilfe fein komponierter Übergänge. Das verantwortliche schwedisch-britische Architektenpaar Ia Hjärre und Andy Nettleton realisierte eine Betontreppe in der Hauptwohnung, die vom offenen Wohnbereich ins Dachgeschoss führt, wo sich die drei Schlafräume befinden. Die rohe Treppe ist ein bewusst gesetzter Kontrast zur historischen Substanz. Der ehemalige Heuboden – heute ein 50 m² großes Studio – ist über eine Stahltreppe vom Innenhof aus erschlossen. Leicht, fast schwebend, verbindet sie die Ebenen – und fügt sich dabei selbstverständlich in das architektonische Gesamtbild ein.
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Text / Zusammenstellung: Christiane Weidemann & Anne-Birga Niepelt
Fotos: Jukan Tateisi via unsplash.com (Introbild), Matteo Natalucci Studio (Passa Tempo), Ansgar Schwarz & Nilos Frakou (Amtsalon), Living Architecture UK (The Long House), David Cysar, Karolina Koštialová & Tereza Kunderová (Villa Winternitz), Maximilian Pohler (La Casa di Bru), Georg Aerni (Casa Raslei), Jochen Schreiner (Denkmal Karlstadt), Frank Salama (Jardin Urbain Paris), Tom de Gay (Kuća Skala), Ake E:Son Lindman (Grams Gård)
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